Fachartikel: Sicherer und wirtschaftlicher Betrieb moderner RZs

Juni 2025

Mit der schnell fortschreitenden Digitalisierung, dem Siegeszug cloudbasierender Anwendungen und dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz steigt der Bedarf an leistungsstarken Rechenzentren kontinuierlich. Diese Entwicklung bringt nicht nur neue technische Herausforderungen mit sich, sondern stellt auch höchste Anforderungen an die Versorgungssicherheit und Energieeffizienz dieser kritischen Infrastrukturen.

Autor: Jens Schübel
Redaktion: Jörg Schröper

Bild: Konstantin Dem – shutterstock.com

Eine oft unterschätzte, jedoch essenzielle Komponente zur Sicherstellung eines stabilen und wirtschaftlichen Betriebs ist die Differenzstrommessung (Residual Current Monitoring, RCM). Sie ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Fehlerströmen und leistet damit einen zentralen Beitrag zum störungsfreien Betrieb und zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Diese Art der Messung ist kein optionales Extra, sondern eine grundlegende Voraussetzung für eine sichere, zuverlässige Energieversorgung. Neben der Differenzstrommessung gehören auch die Messung der Spannungsqualität und die Betriebsstrommessung zu einer sicheren Stromversorgung.

Steigender Energiebedarf und wachsende Anforderungen

Der Energieverbrauch deutscher Rechenzentren hat sich zwischen 2012 und 2022 nahezu verdoppelt. Für das Jahr 2024 wurde ein Verbrauch von rund 20 Milliarden Kilowattstunden (kWh) ermittelt, Tendenz steigend. Bis 2030 rechnen Experten mit einem Anstieg auf bis zu 37 Terawattstunden (TWh). Angesichts dieser Entwicklung wird der effiziente Einsatz von Energie und die kontinuierliche Überwachung der Stromversorgung zur Pflicht. Neben der Messung der Spannungsqualität und der Betriebsströme etabliert sich die Differenzstrommessung zunehmend als unverzichtbare Maßnahme im Energie-Management moderner IT-Infrastrukturen. Eine solche Messung kann dabei helfen, Störungen frühzeitig zu erkennen und den Betrieb wirtschaftlicher zu gestalten.

Differenzstrommessung: Funktion und Bedeutung

Um die Wichtigkeit zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Grundlagen: Die Differenzstrommessung vergleicht die Summe der hin- und zurückfließenden Ströme in einem Stromkreis. Eine Abweichung weist darauf hin, dass elektrische Energie unerwünscht abgeleitet wird – etwa durch Isolationsfehler, beschädigte Leitungen oder schleichende Kriechströme. Solche Fehlerströme können nicht nur zu Korrosion an metallischen Installationen (zum Beispiel Sprinklerrohren) führen, sondern im schlimmsten Fall Brände oder Systemausfälle verursachen. RCM-Systeme detektieren diese Abweichungen kontinuierlich und nicht-invasiv. Besonders in Umgebungen mit frequenzvariablen Antrieben oder Schaltnetzteilen – wie sie in Rechenzentren zahlreich verbaut sind – müssen dafür Geräte des Typs B+ eingesetzt werden. Diese erkennen sowohl nieder- als auch höherfrequente Fehlerströme bis in den Gleichstrombereich hinein und bieten so eine umfassende Überwachung. Laut dem Bitkom-Leitfaden „Betriebssichere Rechenzentren“ sind höchste Verfügbarkeitsanforderungen in Rechenzentren ein Muss. Das bedeutet auch, dass die Stromversorgung zuverlässig und sicher sein muss. Ein permanentes Monitoring der Elektroinstallation und ein „sauberes“ TN-S-Systems spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die Differenzstrommessung hilft in diesem Kontext, Fehler frühzeitig zu erkennen, bevor sie zu größeren Problemen oder gar Ausfällen führen.

Automatische Abschaltungen vermeiden

Ein gängiger Fehler in der Praxis besteht darin, die Differenzstrommessung mit klassischen Fehlerstromschutzschaltern (RCD, Residual Current Device) gleichzusetzen. Zwar erkennen beide Systeme Fehlerströme, doch während ein RCD bei Erreichen eines Grenzwerts den Stromkreis sofort unterbricht, dient ein RCM lediglich der Überwachung. Eine sofortige Abschaltung – wie sie RCDs auslösen – wäre im hochverfügbaren Rechenzentrumsbetrieb fatal. RCM-Systeme melden Anomalien rechtzeitig, ohne die Stromversorgung zu unterbrechen. So bleibt das Rechenzentrum online, während technische Maßnahmen geplant und gezielt umgesetzt
werden können.

Gesetzliche Grundlagen und normative Anforderungen

Die Bedeutung der Differenzstrommessung ist auch durch zahlreiche Normen und Vorschriften untermauert. Dazu zählen unter anderem:

  • DIN VDE 0100-410: Anforderungen an Endstromkreise
  • DIN VDE 0100-600: Prüfung neuer und erweiterter Anlagen
  • DIN VDE 0105-100/A1: Regelmäßige Wiederholungsprüfungen
  • DGUV Vorschrift 3: Pflicht zu wiederkehrenden Prüfungen
  • DIN EN 50600-2-2: Verpflichtung zur kontinuierlichen Differenzstrommessung in neuen Rechenzentren

Ein besonderer Vorteil ergibt sich aus der DIN VDE 0105-100/A1 in Verbindung mit der DGUV Vorschrift 3: Wird ein Stromkreis kontinuierlich durch ein Differenzstrom-Überwachungsgerät überwacht, kann auf die turnusmäßige Isolationsprüfung verzichtet werden – und damit auch auf die temporäre Abschaltung des Stromkreises. Dies reduziert den Wartungsaufwand und minimiert potenzielle Betriebsunterbrechungen.

Vorteile der Differenzstrommessung im Rechenzentrumsbetrieb

Die Einführung eines RCM-Systems bringt eine Vielzahl konkreter Vorteile mit sich:

  • Frühzeitige Fehlererkennung: Probleme lassen sich erkennen, bevor sie kritisch werden.
  • Höhere Betriebssicherheit: Ungeplante Abschaltungen werden vermieden.
  • Weniger Wartungsaufwand: Die Abschaltung für die Isolationsprüfung kann entfallen.
  • Erfüllung gesetzlicher Vorschriften: Unternehmen sind auf der sicheren Seite.

Fazit: Differenzstrommessung ist Bestandteil moderner Betreiberstrategie

Im hochsensiblen Umfeld von Datacentern sind keine Kompromisse bei der Versorgungssicherheit erlaubt. Die Differenzstrommessung stellt eine einfache, jedoch sehr wirksame Methode dar, um die elektrische Sicherheit dauerhaft zu gewährleisten, Ausfälle zu vermeiden und gleichzeitig gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen. Sie ist damit kein optionales Extra, sondern ein strategisches Werkzeug im Rahmen eines modernen Energie-Managements. Betreiber, die auf RCM-Systeme setzen, profitieren von mehr Sicherheit, Effizienz und Planungssicherheit. Der Einbau entsprechender Technik sollte daher frühzeitig – idealerweise schon in der Planungsphase – berücksichtigt werden. Denn nur wer seine Infrastruktur kontinuierlich überwacht, kann schnell und gezielt reagieren.

Jens Schübel ist staatlich geprüfter Elektrotechniker und technischer Betriebswirt sowie Prokurist und technischer Leiter bei PQ-Plus.

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